Podcast-Episode zu diesem Beitrag
Es gibt Verbote, die berechtigt und sinnvoll sind. Wenn du sie befolgst, machst du nichts falsch. In diesem Beitrag geht es um andere Verbote. Die sind nicht nur nicht sinnvoll, sondern sie schaden dir. Sie sind schädlich für dein Selbstbewusstsein.
Ich pflücke nochmals einige Inhalte aus dem letzten Beitrag heraus und erwähne sie hier. Sie sind wichtig, für das, was kommt. Falls du den „Vollpfosten“-Beitrag gelesen und ihn noch präsent hast, darfst du gerne den nächsten Teil überspringen und unten beim Abschnitt „Selbstbewusstsein“ weiterlesen.
Das Bedürfnis, wahrgenommen zu werden, und Strokes
Jeder Mensch hat ein tiefsitzendes Bedürfnis, wahrgenommen zu werden. Auch du! In der Transaktionsanalyse wird das als Anerkennungs-Hunger genannt. Der Begriff Hunger drückt aus, dass das Befriedigen dieses Bedürfnisses genauso überlebenswichtig ist, wie das Stillen des physischen Hungers.
Die Nahrung, die den Hunger nach Anerkennung stillt, wird als Strokes bezeichnet. Immer, wenn dir jemand zeigt, dass er dich wahrnimmt, gibt er dir einen Stroke. Dies kann verbal oder nonverbal geschehen, angenehm oder unangenehm sein, an eine Bedingung (Verhalten, Handlung, Aussehen usw.) geknüpft oder bedingungslos sein.
Hier noch mal die Übersicht über die vier Stroke-Arten (und dann ist genug mit Wiederholung 😁).
Selbstbewusstsein
Bevor es weiter um Strokes geht, richte ich den Fokus erst auf das Selbstbewusstsein.
Selbstbewusstsein ist ein wichtiger Aspekt deiner Sozialkompetenz.
Nur wenn du dir bewusst bist, wer du bist und was du kannst, wirst du in einen guten Kontakt mit anderen treten können.
Das Selbstbewusstsein besteht aus zwei Komponenten: Selbstwert und Selbstvertrauen. Während es beim Selbstwert und dich als Menschen und deinen Wert geht, richtet sich das Selbstvertrauen auf deine Fähigkeiten und Kenntnisse.
Vor einiger Zeit habe ich die Selbstbewusstseins-Formel aufgestellt:
Bei der Formel handelt es sich um eine Multiplikation und nicht um eine Addition. Warum? Ganz einfach: jemand der sich selbst als wertlos sieht, kann noch so viel Vertrauen in seine Fähigkeiten haben, er wird nicht selbstbewusst auftreten können. Und umgekehrt.
Mit anderen Worten: willst du dein Selbstbewusstsein stärken, setze den Hebel bei beiden Komponenten an: beim Selbstwert und beim Selbstvertrauen!
Die Rolle der Strokes
Jetzt kommen die Strokes wieder ins Spiel. Sie haben eine wichtige Funktion, wenn es um die Förderung von Selbstwert und Selbstvertrauen geht.
Positiv-bedingungslose Strokes stärken deinen Selbstwert. Wenn Menschen dir zeigen, dass sie dich mögen, ohne dass du etwas dafür leisten musst, hat das eine unmittelbare Auswirkung auf dein Selbstwertempfinden.
Positiv-bedingte Strokes stärken dein Selbstvertrauen. Erhältst du von anderen positive Anerkennung für das, was du machst, steigert das dein Vertrauen in dein Können und deine Kenntnisse.
Negativ-bedingte Stokes zeigen dir Entwicklungspotenzial und Grenzen auf. Das ist auch wichtig. Um darauf zu vertrauen, wozu du fähig bist, gehört auch zu wissen, was du (noch) nicht kannst.
Negativ-bedingungslose Strokes können dir am Arsch vorbei gehen. Solange du genug von den anderen Arten – insbesondere von den positiv-bedingungslosen – erhältst, bist du nicht darauf angewiesen.
Da die beiden positiven Arten von Anerkennung einen direkten Einfluss auf dein Selbstbewusstsein haben, stehen sie im Fokus der nachfolgenden Erläuterungen.
5 Verbote, die dein Selbstbewusstsein einschränken
Der Transaktionsanalytiker Claude Steiner hat sich intensiv mit der Stroke-Thematik befasst. Dabei hat er festgestellt, dass wir mit (positiven) Strokes so umgehen, als gäbe es zu wenig davon. Er beschreibt eine Art künstliche Verknappung.
Was er damit meint, hat er mit dem Märchen von den Kuscheltüchern illustriert. Ich habe das Märchen auf Youtube gefunden. Wenn du Lust hast, kannst du es dir von Kerstin Pack erzählen lassen.
Im Zusammenhang mit der künstlichen Verknappung spricht Steiner von der Stroke-Ökonomie. Er beschreibt fünf Regeln oder Verbote, die wir im Zusammenhang mit dem Austausch von Anerkennung oft befolgen (bewusst oder unbewusst).
Willst du dein Selbstbewusstsein (und das anderer) stärken, dann halte dich nicht mehr an diese ungeschriebenen Verbote.
1. Gib keine Strokes, es sei denn, du musst!
Du findest einen Menschen, mit dem du zusammenarbeitest toll. Oder etwas, das diese Person gemacht hat. Sagst du es ihm oder ihr? Wenn nein, warum nicht?
Wenn du selbst knauserig mit positiver Rückmeldung umgehst, darfst du nicht erwarten, dass andere diesbezüglich großzügiger sind.
Also:
Gib anderen positive Anerkennung. Nicht weil du musst, sondern weil du willst.
2. Bitte nicht um Strokes, auch wenn du welche brauchst!
Kennst du diese Situation? Dir geht es gerade nicht so gut. Vielleicht hast du einen Misserfolg hinter dir. Jetzt würde es dir sowas von gut tun, wenn jemand dir etwas Positives sagen würde. Und niemand tut es.
Was hindert dich daran, jemanden darum zu bitten? Es muss ja nicht gerade die erst beste Person sein, der du begegnest. Aber jemand, den du etwas besser kennst, zu dem eine Vertrauensbasis besteht?
Du darfst andere darum bitten, dir ihre Wertschätzung auszudrücken oder dir ein Kompliment zu machen.
3. Nimm keine Strokes an, auch wenn du gerne möchtest!
Möglicherweise erhältst du gelegentlich positive Strokes, die du nicht annimmst. Vielleicht bist du es dir (noch) nicht gewohnt eine bestimmte Art oder für ein bestimmtes Thema Anerkennung zu erhalten. Du lässt dann die Wertschätzung oder das Kompliment gar nicht richtig an dich heran. Er prallt ab.
Ein Beispiel:
Jemand sagt dir: „Wow, das hast du toll gemacht.“
Du: „Danke, das gehört zu meinen Aufgaben.“
Du hast in diesem Fall den Stroke nicht angenommen. Selbst wenn eine Tätigkeit zu deiner täglichen Arbeit gehört, darfst du Anerkennung dafür annehmen und sie genießen.
Du darfst Strokes annehmen, die dir gut tun.
4. Lehne keine Strokes ab, wenn du sie nicht möchtest!
Möglicherweise gibt es auch Strokes, die du nicht willst. Nicht aus oben beschriebenen Gründen, sondern weil sie für dich und dein Selbstbewusstsein nicht förderlich sind.
Claudia erhält beispielsweise immer wieder Komplimente für ihr Aussehen. Selten bis nie für ihre Intelligenz. Sie fühlt sich dadurch auf ihr Aussehen reduziert. Was soll sie tun? Es weiter über sich ergehen lassen? Nein, das muss nicht sein. Sie darf die Strokes für ihr Aussehen (oder einige davon) ablehnen. Sie kann dies innerlich, einfach für sich tun. Sie hört zwar die Komplimente, lässt sie jedoch innerlich abprallen. Weil das nicht immer einfach ist, hat sie auch die Möglichkeit, zu signalisieren, dass sie diese Art von Strokes nicht mehr hören will. Oder Sie kombiniert Verbot 2 und Verbot 4 und beachtet beide nicht: „Danke, ich habe gehört, dass du mich schön findest. Was hältst du von meiner Intelligenz?“
Du musst nicht jeden Stroke annehmen.
5. Gib dir selbst keine Strokes!
„Eigenlob stinkt!“ Was für ein Bullshit! Keine Ahnung, wer diese Lüge erfunden hat. Weshalb sollte es nicht in Ordnung sein, sich an sich und dem was man erreicht hat, zu freuen und dieser Freude Ausdruck zu geben.
Wann hast du zum letzten Mal anderen gesagt, dass dir etwas richtig gut gelungen ist? Machst du das überhaupt? Wenn nein, warum nicht?
Wie leicht oder schwer fällt es dir, dich vor den Spiegel zu stellen und dir zu sagen, dass du dich magst? Dir Komplimente zu geben für Aufgaben, die du gut gemeistert hast? Versuche es einmal. Oder noch besser: mehr als einmal. Regelmäßig, z. B. immer am Morgen nach dem Aufstehen. Oder abends bevor du ins Bett gehst. Oder beides.
Du darfst dir selbst Komplimente machen und dir sagen, dass du dich magst.
Das Training
Wenn du dich in diesem Bereich weiterentwickeln willst, schlage ich dir folgenden Trainingsplan vor:
Schau mal, welches dieser fünf Verbote dich am stärksten einschränkt. Beginne damit. Überlege dir, wo Menschen sind, denen du vertraust und mit denen du das Nichtbefolgen des Verbots üben kannst. Du kannst das vorgängig mit den betreffenden Personen thematisieren oder nicht. Achte darauf, was passiert. Dann weite den Personenkreis aus.
Wenn du erkennst, dass es dir gut gelingt, nimm das nächste Verbot in Angriff.
Die Gefahr besteht, diese Verbote dermaßen über Bord zu werfen, dass du ins Gegenteil kippst. Das ist nicht das Ziel. Nur ein Kompliment machen, weil „man es sollte“, ist doof. Es wird seine Wirkung verfehlen und möglicherweise sogar das Gegenteil bewirken.
Im Umgang mit Strokes sind zwei Dinge entscheidend:
- mache es bewusst (geben, darum bitten, annehmen, ablehnen, dich selbst stroken)
- sei ehrlich, authentisch und echt
Hey, Jürg.
Vielen Dank für diesen Beitrag.
Ich finde die Form Podcast generell super und sehr komfortabel. Auch schätze ich sehr die Qualität Deiner Beiträge (auch in Kombi mit Christin, die ich persönlich kenne) 🙂.
Vielen Dank für die völlig kostenfreien Impulse. Ich finde das sehr großzügig!
Liebe Grüße
Hildegard
Vielen Dank für deine Rückmeldung, liebe Hildegard. Podcasten macht mir auch viel Spass. Und wenn ich lese oder höre, dass das was ich bzw. wir machen, gut ankommt, ist das umso schöner.
Herzliche Grüsse
Jürg
Selbstbewusster werden..
.. kann wirklich sehr hart sein. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Du hast hier wirklich eine tolle Website, mit sehr spannenden Artikeln und auch die angebotenen Podcasts sind eine klasse Idee und sehr entspannt zu hören.
Die fünf ungeschriebenen Gebote, die du am Ende auflistet finde ich sehr interessant. Wirklich ein sehr hilfreicher Artikel, den ich auf jeden Fall als Inspiration für meinen eigenen Blog mitnehmen werde. Schau doch gerne mal vorbei 🙂
Vielen Dank und liebe Grüße
Moritz von Persönlichkeitsentwicklung 🙂
Herzlichen Dank, lieber Moritz.