Wie du das Selbstbewusstsein stärken kannst

5. Juli 2017

Hast du dich schon einmal auf einen zugefrorenen See oder Weiher gewagt? Und hast du dich dabei gefragt, ob das Eis dein Gewicht hält? Wenn es nicht hält, hat das gravierende Folgen: ein Bad im eisigen Wasser. Lebensgefahr! Ob das Eis hält oder nicht, ist unter anderem von der Dicke der Eisschicht abhängig. Dickes Eis ist sicher, dünnes Eis ist gefährlich.

Während ich über gefrorene Weiher und schreibe, sitze ich bei hochsommerlichen Temperaturen auf dem Balkon 🙂 – egal, zurück zum Thema:

Selbstbewusstsein stärken und Eisschichten – was hat das miteinander zu tun?

Die Frage ist berechtigt. Am Ende dieses Beitrags wirst du diesbezüglich schlauer sein. Behalte im Moment einfach mal das Bild der Eisschichten im Hinterkopf. Wir verlassen nun nämlich das Eis und wenden uns dem Selbtbewusstsein zu.

Was ist Selbstbewusstsein?

Ich geb's zu, ich hätte bis vor wenigen Minuten diese Frage nicht aus dem Stegreif beantworten können. Mindestens nicht zufriedenstellend. Kennst du das? Du weisst von einem Begriff, was gemeint ist, doch kannst es nicht in Worte fassen? Dem schaffe ich nun Abhilfe – was den Begriff Selbstbewusstsein betrifft.

Wikipedia sagt:

‚Selbstbewusstsein‘ heißt ‚das Bewusstsein seiner selbst‘.

Gut, da hätte ich jetzt auch selber drauf kommen können. Also schaue ich mal noch bei Duden vorbei:

(Philosophie) Bewusstsein (des Menschen) von sich selbst als denkendem Wesen

oder:

das Überzeugtsein von seinen Fähigkeiten, von seinem Wert als Person, das sich besonders in selbstsicherem Auftreten ausdrückt

Oh, das gefällt mir. Vor allem die zweite Duden-Definition. Es geht also um das Überzeugtsein von seinen Fähigkeiten – ich bezeichne das als Selbstvertrauen – und um den Selbstwert. Beides zusammen ist das Selbstbewusstsein. Da mache ich gleich eine Formel daraus:

Selbstbewusstsein = Selbstwert x Selbstvertrauen

Wenn du mathematikinteressiert bist, hast du wahrscheinlich festgestellt, dass es sich bei meiner Selbstbewusstseins-Formel um eine Multiplikation, nicht um eine Addition handelt. Richtig. Ich habe das Malzeichen ganz bewusst gewählt. Lass es mich erkären: ich glaube, wenn du absolut kein Selbstwertempfinden hast, kannst du noch so viel Selbsvertrauen haben, du wirst nicht selbstbewusst auftreten.

Um in mathematischen Spähren zu bleiben, das Ganze in Zahlen:

Person A hat ein Selbstwertempfinden von 1 Einheit und Selbstvertrauen von 10 Einheiten (woher solche Unterschiede kommen können, erfährst du später in diesem Beitrag).

Person B hingegen verfügt über 5 Selbstwert-Einheiten und 5 Selbstvertrauens-Einheiten.

Ich gebe zu, das ist nun sehr abstrakt (wenn es dir zu abstrakt ist, lies einfach im nächsten Abschnitt weiter). Wer in diesem abstrakten Beispiel hat grösseres Selbstbewusstsein? Bei einer Addition wäre es Person A (1 + 10 = 11). Ich glaube jedoch, dass Person B selbstbewusster auftreten wird. Dies wird mit der Multiplikation deutlich. A erhält einen Wert von 10 und B kommt auf sage und schreibe 25.

Gut, genug der abstrakten Beispiele und theoretischen Zahlenspielereien. Kommen wir zurück zum eigentlichen Thema.

Selbstbewusstsein wird aus den Komponenten Selbstwert und Selbstvertrauen gebildet

Willst du dein Selbstbewusstsein stärken (oder dasjenige anderer), setzt du am besten beim Selbstwert und Selbstvertrauen an. Und wie geht das? Hier kommen Strokes ins Spiel. Hast du einen medizinischen Hintergrund, denkst du nun möglicherweise an einen Schlaganfall. Du befindest dich jedoch nicht in einem medizinischen Blog. Es geht hier um Transaktionsanalyse. Und hier ist ein Stroke etwas anderes.

Was es mit Strokes auf sich hat

Ein Stroke ist in der Transaktionsanalyse eine Einheit der Anerkennung. Zeige ich dir in irgendeiner Form – verbal oder nonverbal, dass ich dich wahrnehme, gebe ich dir einen Stroke.

Die Art und Weise der Anerkennung kann positiv oder negativ sein. (Das englische Wort stroke kann für einen Schlag stehen – negativ – oder auch für eine Streicheleinheit – positiv. Da ein entsprechendes deutsches Wort fehlt, wird meist auch im deutschsprachigen Raum der englische Begriff verwendet.)

Ein Stroke kann an eine Bedingung (Verhalten, Aussehen etc.) geknüpft oder bedingungslos sein. Bei bedingungslosen Strokes geht es um die Person in ihrem Wesen, um das Sein, während es bei den bedingten um das Tun geht.

Kombiniert man bedingungslos/bedingt mit positiv/negativ ergeben sich vier Arten von Strokes:

  • positiv – bedingungslos (Wertschätzung)
  • positiv – bedingt (Kompliment)
  • negativ – bedingt (Kritik)
  • negativ – bedingungslos (Ablehnung)

Die Grundlage für Selbstwert:
positiv-bedingungslose Strokes

Ein Kind braucht in der ersten Phase seines Lebens positive, bedingungslose Anerkennung. Es erfährt, dass es wertvoll ist.

In der Kindheit wird zwar die Basis für das Selbstwertgefühl gelegt. Das Kapitel ist jedoch mit dem Erwachsenwerden nicht abgeschlossen. Auch als erwachsene Frau oder erwachsenen Mann brauchst du diese Art der Anerkennung. Kriegst du sie nicht oder zu wenig, wird sich das negativ auf dein Selbstwertempfinden auswirken.

Die Grundlage für Selbstvertrauen:
positiv-bedingte Strokes

In einer späteren Phase braucht ein Kind Anerkennung für sein Tun. Die ersten Worte, die ersten Schritte. Die Eltern sind in der Regel begeistert darüber, was sie dem Kind auch zeigen. Das Kind erlebt nun, dass es etwas tun kann, das offensichtlich gut ist. Sein Selbstvertrauen wächst.

Auch hier gilt, was ich oben bereits festgehalten habe: was für Kinder gilt, ist auch bei Erwachsenen nicht anders.

Unterschied zwischen Selbstwert und Selbstvertrauen

Anregung für Weiterentwicklung:
negativ-bedingte Strokes

Kinder erhalten in der Regel nicht nur positive Strokes für ihr Verhalten, sondern auch negative. Braucht es das? Ja, auf jeden Fall. Negativ-bedingte Strokes geben Orientierung („Hier sind die Grenzen!“) und zeigen auf, in welchen Bereichen es sich weiterentwickeln kann.

Und (du kannst dir sicher vostellen, was jetzt kommt): das trifft auch auf Erwachsene zu. Willst du dich weiterentwickeln? Ja? Dann brauchst du eine Idee, in welchen Bereichen du das tun kannst. Negativ-bedingte Strokes können dir Anhaltspunkte dafür geben.

Negativ-bedingungslose Strokes braucht niemand

Mehr gibt es zu den negativ-bedingungslosen Strokes („Ich hasse dich!“) nicht zu sagen. Punkt.

Strokes und die Schichten des Selbstbewusstseins

Am Anfang des Beitrags hast du das Bild der Eisschicht in deinem Hinterkopf (oder wo auch immer) abgelegt. Nun ist es Zeit, das Bild wieder hervorzuholen.

Stell dir vor, dein Selbstwertgefühl ist so etwas wie eine Eisschicht. Je tragfähiger sie ist, umso mehr braucht es, um dich aus den Socken zu hauen. Und diese Schicht wird, wie oben beschrieben, durch positiv-bedingungslose Strokes gebildet.

Willst du etwas für deinen Selbstwert tun, dann frage dich, wo sind die Menschen, die mich so akzeptieren, wie ich bin. Die mich mögen, auch wenn ich nichts leiste. Und wenn du weisst, wer diese Menschen sind, verbringe Zeit mit ihnen und sauge die positiv-bedingungslose Anerkennung von ihnen bewusst in dich auf.

Auf dieser Schicht des Selbstwertes kommt nun eine weitere Schicht zu liegen. Du wirst es erraten, es ist die Schicht des Selbstvertrauens. Willst du mehr Selbstvertrauen? Dann nimm Komplimente für das, was du tust, bewusst an. Und falls du zu wenig davon kriegst, frag nach. Andere Menschen werden es dir gerne geben. Vielleicht denken sie selbst einfach nicht daran. Darum ungeniert nachfragen!

Und wenn wir schon dabei sind, legen wir für die beiden negativen Formen von Strokes auch noch eine Schicht drauf. Das sieht dann so aus:

Selbstbewusstsein stärken - Strokeschichten

Obwohl die negativ-bedingungslosen Strokes destruktiv und daher aus der Welt verbannt gehören, werden sie im Alltag leider trotzdem vermittelt. Daher kriegen sie auch eine Schicht.

Sind die beiden unteren Schichten genügend tragfähig, hast du ein gesundes Selbstbewusstsein. Kritik wirft dich dann nicht aus der Bahn. Im Gegenteil: du nutzt sie, um dich persönlich weiterzuentwickeln. Selbst mit Ablehnung wirst du umgehen können, weil du dir deines Wertes und deiner Fähigkeiten bewusst bist.

Probleme mit den Schichten

Sind die Schichten des Selbstwertes und des Selbstvertrauens nicht stabil, gibt es Probleme. In der Eisschichtmetapher gesprochen, stehst du dann in Gefahr, ins kalte Wasser durchzubrechen. Das kann äusserst unangenehm werden.

Geringer Selbstwert

Geringer Selbstwert

Ist dein Selbstwertempfinden schwach ausgeprägt? Dann wirst du deinen Wert von deinen Leistungen abhängig machen. Wie lange das funktioniert ist fraglich. Irgendwann geht dir die Puste aus. Die zu dünne Selbstwertschicht bricht ein. Die Folge ist möglicherweise ein Burnout.

Geringes Selbstbewusstsein

Geringes Selbstbewusstsein

Wenn neben der Selbstwertschicht auch das Selbstvertrauen nicht gut entwickelt ist, hast du ein geringes Selbstbewusstsein. Was ist die Folge? Kritik und Ablehnung – also die beiden negativen Strokeformen – werden dir arg zusetzen. Du stellst nämlich jedesmal dich und deine Fähigkeiten in Frage. Auch hier ist es eine Frage der Zeit, bis die schwach entwickelten Schichten nicht mehr halten. Das eisige Wasser kann symbolisch für verschiedene Probleme stehen: fehlende Lebensfreude, Resignation, schwindende Lebenslust usw.

Was kannst du tun?

Es liegt an dir, wie stabil deine Selbstwert- und deine Selbstvertrauensschicht sind. Ich bemühe jetzt noch ein letztes Mal die Eismetapher. Eis kann schmelzen. Auch die beiden Schichten des Selbstbewusstseins schmelzen. Dann nämlich, wenn sie nicht mit den nötigen Strokes versorgt werden. Du kannst zwar von früher erhaltenen Strokes zehren. Doch wenn sie langfristig ausbleiben, schwinden die Schichten wie schmelzendes Eis.

Ich fasse zusammen, wasa du tun kannst, wenn du dein Selbstbewusstsein stärken willst:

  1. Verbringe viel Zeit mit Menschen, bei denen du sein kannst, wie du bist. Bei denen du nichts leisten musst, damit sie dich mögen. Atme die positiv-bedingungslosen Strokes, die du von ihnen erhältst, tief in dich ein.
  2. Nimm Komplimente für dein Tun von anderen an. Gehe nicht leichtfertig darüber hinweg, wenn dir jemand sagt, dass du etwas gut gemacht hast.
  3. Frage nach Komplimenten, wenn du sie nicht erhältst. Das mag vielleicht ungewohnt sein, doch mit etwas Übung geht es ganz gut. Am besten beginnst du damit bei denjenigen Menschen, die dich gut mögen.

Idealerweise integrierst du diese drei Punkte in deinen Lebensstil. Du tust dann kontinuierlich etwas für dein Selbstbewusstsein. Wenn dieses gut entwickelt ist, wirst du Kritik positiv zur Weiterentwicklung nutzen und Ablehnung von anderen an deinem Allerwertesten vorbei gehen lassen.


Am 4. März 2015 habe ich in meinem alten Blog den Beitrag „Über Eisschichten, Anerkennung und Selbstwert“ veröffentlicht. Beim hier vorliegenden Artikel handelt es sich um eine überarbeitete und erweiterte Version davon.


Mehr zum Thema Selbstbewusstsein, Selbstwert, Selbstvertrauen:

Mehr zum Thema Strokes:

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  1. Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Selbstbewusstsein. Gut zu wissen, dass dieses viel mit Bedingungslosigkeit zu tun hat. Ich möchte gerne mal an einem Selbstbewusstseins-Coaching für Männer teilnehmen.

    1. Herzlichen Dank für die Rückmeldung.
      Ob und wo es Selbstbewusstseins-Coachings für Männer gibt, weiss ich nicht. Doch ich kann mir vorstellen, dass so etwas durchaus hilfreich sein kann.

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